Anfang Juli erscheint mit „I Inside the Old Year Dying“ das zehnte Studioalbum von PJ Harvey. Sechs Jahre hat sich die Engländerin Zeit gelassen, um an der Platte zu arbeiten. Nach der „The Hope Six Demolition Project“-Tour fühlte sie sich, als habe sie in dem endlosen Zyklus von Alben und Tourneen die Verbindung zur Musik selbst verloren. Eine Erkenntnis, die sie zutiefst beunruhigte. Also zog sie sich zurück, schrieb an ihrem zweiten Gedichtband und brachte Demoversionen ihrer alten Alben heraus. Doch dann begann sie ganz einfach wieder zu musizieren.
„Um mich selbst zu heilen“, beschreibt sie diesen Prozess, „setzte ich mich ans Klavier oder an die Gitarre und spielte meine Lieblingssongs von anderen Leuten. Und ich merkte einfach: Es ist immer noch da; ich liebe es immer noch so sehr, dass es mich am Leben hält.“ Bald begann sich etwas zusammenzufügen: Harvey schrieb neue Songs und Musik um ihrer selbst willen und schöpfte aus diesem Gefühl der kreativen Freiheit. Gleichzeitig verlagerte sich ihre Perspektive, weg von den großen Themen von „Let England Shake“ und „Hope Six“ hin zu etwas Intimerem und Menschlicherem.
Aber so war es immer in ihrer langen und erfolgreichen Karriere: Jede Phase ihres Fortschritts hat sie an einen neuen Ort geführt. Doch die Songs auf „I Inside the Old Year Dying“ sind selbst für Harveys Verhältnisse kühn, erfüllt von dem Gefühl einer zyklischen Rückkehr zu neuen Anfängen. Sie verbinden auf faszinierende Weise kreativen Wagemut mit dem Gefühl, offen und einladend zu sein. Die neuen Songs, so Harvey, bieten „einen Ruhepol, einen Trost, ein Balsam, was sich in der heutigen Zeit willkommen anfühlt“. In drei Wochen waren die Tracks geschrieben, wurden aber erst perfekt durch die Arbeit im Studio – wie so oft mit den alten Mitstreitern John Parish und Flood –, das dafür eingerichtet war, live zu spielen. So beruht so gut wie alles auf Improvisation, spontanen Auftritten und Ideen, die im Moment ihrer Entstehung aufgenommen wurden. Wenn die Platte so greifbar, menschlich ist, dann liegt das zu großen Teilen daran. Dazu kamen eine Fülle von Field Recordings und Material aus Audiobibliotheken, die in Floods surreale Umformung von Klängen auf Standardinstrumenten eingeflochten sind. Und natürlich die phänomenale Stimme von PJ Harvey, auch wenn sie dieses Mal anders als gewohnt klingt: „Ich habe das Gefühl, dass ich noch nie so gut gesungen habe wie auf dieser Platte. Ich denke, das liegt auch daran, dass ich etwas älter bin.
Es liegt aber auch an meinem absoluten Vertrauen in Flood und John und daran, dass ich ihnen erlaubte, mich in Situationen zu bringen, die mir nicht behagten. Jedes Mal, wenn ich so aussah, als würde ich mit meiner PJ-Harvey-Stimme singen, wurde ein Veto eingelegt.“ So wurde aus „I Inside the Old Year Dying“ ein weiteres famoses Werk der (einzigen) zweifachen Gewinnerin der Mercury Prize‘, das sie im Oktober bei zwei Shows im Berliner Admiralspalast live präsentieren wird.
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